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Melker Rödlöga - ein echtes Sea-Playboat

Die Firma Melker aus Schweden verfolge ich schon seit einiger Zeit recht aufmerksam. Sie sind angetreten, um die nachhaltigkeit im Kajaksport weiter zu erhöhen und auf dem Weg dahin neue Wege zu gehen. In der aktuellen Modellreihe werden Flachsfasern als Gewebe für Composit Kajaks verwendet. Dadurch, dass das Gewebelaminat nicht an allen Stellen überlackiert ist, bekommen die Melker Kajaks eine optische Aufwertung, die irgendwo zwischen handgefertigtem Kanu und edlem Teakdeck auf großen Yachten anmutet. Diverse Design-Preise aus der Kajak Community sprechen für sich. Und da ich bereits norwegische (Norse) und dänische (Struer) Kajaks in der Flotte habe, habe ich mir in der zweiten Saisonhälfte gedacht, zum skandinavischen Glück fehlen auch noch die Schweden. Ich habe also entschieden, die Modelle Väderö und Rödlöga testweise einzuführen um zu schauen, ob die etwas für den Kursbetrieb (und für mich seber) sind.


Kajak Melker Rödlöga im Historischen Hafen von Neuhaus
Melker Rödlöga im Historischen Hafen von Neuhaus

Die Fakten: der Rödlöga (HV) ist 5,05m lang und 53,5cm schmal. Er hat durch den steilen Bug und das steile Heck eine vergleichsweise lange Wasserlinie und eine Menge Kielsprung. Melker bewirbt das Boot als etwas verspielter als die anderen Modelle der Firma.

Ausgeliefert wird der Rödlöga als Standard mit Skeg (Kajaksport) und Steueranlage (Smarttrack). Mein erster Gedanke war: "Wofür braucht ein wendiges Kajak eine Steueranlage?"

Als ich den Rödlöga das erste Mal auf der Oste gefahren bin, wurde mir klar, warum das Boot mit Steuer verkauft wird. Nicht etwa zum Kurven fahren, sondern zum Geradeausfahren! Das Kajak ist unglaublich agil. Die Drehfreudigkeit kommt beinahe an die Wildwasserkajaks heran, die ich früher in den Alpen gefahren bin. Mit einem Bogenschlag kann man das Boot "um die Ecke denken" und muss in Kurven nicht viel tun.

Das bedeutet auf flachem Wasser aber natürlich auch, dass das Boot auf jede kleine Ungleichmäßigkeit in den Vorwärtsschlägen reagiert. Daher die Steueranlage.

Ich habe das Steuer bei meinem Rödlöga abgebaut. Mit etwas Konzentration ist die absolut nicht nötig. Wenn mir das Boot tatsächlich mal zu drehfreudig ist, kommt das stufenlos verstellbare Skeg zum Einsatz. Auch mit etwas Skeg im Wasser lässt sich der Rödlöga immer noch sehr gut steuern und reagiert instantan auf Gewichtsverlagerung und Aufkanten.


Einsteigen ins Kajak  am Steg im Historischen Hafen in Neuhaus
durch die große Luke gibt es beim Einsteigen keine Probleme

Melker hat mit dem Rödlöga ein Spielboot gebaut. Und wichtig bei Spielbooten ist, dass man gut rein und raus kommt. Das ist mit dem Design des Rödlöga nahezu vorbildlich umgesetzt. Eine große Luke mit ansprechender Deckshöhe sorgt dafür, dass auch größere und schwerere Paddler mit langen Beinen keine Probleme haben, ein- und auszusteigen - auch an höheren Stegen oder bei Welle.

Das Unterwasserschiff des Rödlöga ist ein extrem flaches V mit abgerundetem Seitenspant und ordentlich Kielsprung. Das sorgt für Stabilität, Drehfreudigkeit und hervorragendem Surfverhalten.

Bei etwas bewegterem Wasser spielt das Kajak alle seine Vorteile aus: Wendigkeit, Manövrierbarkeit und Stabilität. Beim Kehrwasserfahren an der Ostemündung brauchte ich fast nichts machen, die Strömungsunterschiede haben das Kajak wie auf Schienen ins Kehrwasser gelenkt. Und sollte man doch mal kentern (kann beim Spielen schon mal passieren), lässt sich der Rödlöga rollen, als wäre er ausschließlich dafür gebaut. Wobei für Grönlandrollen-Puristen der hintere Süllrand definitiv zu hoch sein dürfte. Hier hat Melker definitiv mehr Fokus auf Stabilität, Auftrieb und Spielfreude gelegt als auf die Eignung für die verschiedenen Grönlandrollen.


Kajak auf dem Wasser vor Deich und blauem Himmel
auf dem Weg zur Testfahrt in die Ostemündung

Wenn man sich neben den harten Formfaktoren die Details des Bootsdesigns von Melker anschaut, wird schnell klar, dass die Schweden nicht nur optisch ein elegantes, schönes Kajak gebaut haben, sondern dass sie auch Augenmerk auf Kleinigkeiten legen. So ist vor dem Cockpit eine Vertiefung im Oberdeck. In diese passt eine Trinkflasche oder eine Lenzpumpe ideal hinein. Die Decksleinen sind sinnvoll gespannt und in edlem weiß mit reflektierenden Elementen gehalten. Die Toggle-Aufhängung ist stabil und gut positioniert und vor allem schlagen die Toggle auch in Wellen nicht wild hin und her. Die Tagesluke hinter dem Cockpit ist auch auf dem Wasser gut erreichbar. Die Position des Skegschiebers schräg vor dem Cockpit ist gut durchdacht: hier kommt man gut an den Schieber und er stört nicht bei seitichen Bewegungen oder dichter Paddelführung. Einziger Wermutstropfen ist das viel zu kleine Tagesstaufach vor dem Cockpit. Hier passt zwar der Müsliriegel oder die Armbanduhr hinein, aber ein handelsübliches Smartphone schon niht mehr.

Die Verarbeitung der Melker Kajaks ist gut und das Design ist optisch extrem gelungen. Ob einem der große Melker Schriftzug am Bug gefällt, ist Geschmackssache. Bei mir musste er dem klassischen Bootsnamen weichen.


Kajak im Sonnenuntergang an der Schwebefähre
Sonnenuntergang an der Schwebefähre

Der Rödlöga ist definitiv kein Rennboot. Aber dafür, dass er so extrem agil ist, macht er immer noch eine wirklich gute Geschwindigkeit. 4,5 Knoten sind als Durchschnittsgeschwindigkeit durchaus möglich. Hier kommt das Länge-Breite-Verhältnis von über 9:1 bei einer Länge von mehr als 5 Metern voll zum Tragen.

Es empfiehlt sich, den Rödlöga etwas steiler zu paddeln und ein eher breites als langes Paddelblatt zu wählen. Dadurch wird weniger Energie in Bootsdrehung umgesetzt und mehr in Vortrieb. Wildwasserfahrer kennen das Prinzip, im Seekajak ist es oftmals nicht ganz so entscheidend. Aber wie eingangs erwähnt: der Rödlöga verhält sich in mancher Hinsicht beinahe wie ein großes Wildwasserkajak.

Agile drehfreudige Boote lassen sich nicht nur durch Paddelschläge leicht drehen, sondern auch durch den Wind. Selbstverständlich ist der Rödlöga sehr luvgierig. Schon zwei Windstärke reichen aus, dass das Kajak nicht mehr geradeaus fahren möchte. Das Skeg leistet hier aber sehr gute Arbeit. Schon ein leichtes Ausfahren der Finne hält das Boot wieder auf Kurs. Auch bei höheren Windstärken ist das Skeg wirkungsvoll und lässt das Kajak kontrollierbar bleiben.

Aus meiner Sicht ist das mitgelieferte Steuer nicht notwendig. Aber wer es einsetzt wird feststellen, dass schon leichter Druck auf das jeweilige Pedal eine extrem präzise Steuerung des Bootes ermöglicht. Die Smarttrack Fußrasten und Steuerpedale sind sehr intuitiv und leicht verstellbar - auch auf dem Wasser.


Kajak Melker Rödlöga mit Wellen und Sandbank
Wenn sich das Wasser bewegt, ist der Rödlöga in seinem Element.

Mein Fazit: der Melker Rödlöga ist ein wirklch überzeugendes Sea-Playboat. Auf Flachwasser wirkt er aufgrund der Drehfreudigkeit etwas nervös, aber sobald Bewegung in die Wasseroberfläche kommt, ist er voll in seinem Element. Man nehme den Rödlöga und füge etwas Wind und Welle hinzu und schon kommt man aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Wenn der Hersteller von einem Kajak mit Spielfreude spricht, kann ich das voll und ganz unterschreiben. Und optisch sind die Melker Kajaks sowieso ein echter Hingucker. Bisher bereue ich kein bisschen, meine skandinavische Flotte um schwedische Kajaks erweitert zu haben.

Im Kursbetrieb ist der Rödlöga vermutlich in den Fortgeschrittenenkursen bei geübteren Paddlern besser aufgehoben als bei Anfängern in den Grundkursen. Aber wer ein agiles Kajak zu schätzen weiß, wird mit dem Rödlöga seine wahre Freude haben.

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