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Paddelfrühling in den Schwedischen Westschären

In den letzten Jahren war ich sehr viel in Dänemark paddeln. Dieses Jahr wollte ich mal wieder etwas anderes machen. Es sollte im Mai sein und es sollte Skandinavien sein. Nach einem kurzen Vergleich der Fährpreise war mir schnell klar, dass Norwegen und Finnland dieses Jahr nicht unbedingt in Frage kommen würden. Also entschied ich mich für Schweden. Genauer gesagt Westschweden nördlich von Göteborg. Die Fährtickets waren schnell gebucht – und dann ging die Arbeit los: Wo kann man da paddeln? Was muss man beachten? Gibt es da Nationalparks? Wo kann man übernachten? Seekarten hatte ich mir schon besorgt, Wanderkarten für die Topographie auch. Und den Rest liefert das weltweite Netz. In Schweden ist paddeln zum Glück sehr populär, so dass man sehr viele Informationen online zusammentragen kann. Und per Satellitenansicht im Online-Kartenprogramm hatte ich auch schnell einen Campingplatz gefunden, der mein Einstiegspunkt werden sollte: Såltvik in der Nähe von Grebbestad. Hier gab es auch einen lokalen Kajakverleih, der geführte Touren anbietet. Also habe ich mich für meinen ersten Tag in Schweden auf eine Tour eingebucht, um mehr über die Küste und ihre Besonderheiten zu erfahren. Den Campingplatz habe ich für drei Nächte gebucht, danach wollte ich flexibel sein und gegebenenfalls entweder zu einer Gepäcktour von Insel zu Insel aufbrechen oder weiterziehen.

Das war im Februar, in Deutschland war es noch winterlich kalt und in Schweden lag auf den Schären Schnee. Der Mai fühlte sich noch sehr weit weg an.

Doch je näher der Mai kam, desto größer wurde die Neugier. Wie wird das Wetter? Wird es noch kalt? Wird es windig? Wie sind Wellen und Strömungen im Skagerrak? Ich habe immer häufiger die Wetter- und Wellenvorhersage nicht nur für die heimatliche Oste und Elbe angeschaut, sondern auch für Westschweden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Wetterlagen da so entwickeln. Ich habe angefangen, Karten zu laminieren, Ausrüstung zusammenzustellen, Lebensmittel einzukaufen und das Boot probeweise zu beladen. Kurz vor der Abfahrt nach Kiel war klar: die Wettergötter sind gnädig: kein Sturm, kein Regen, “nur” ein kräftiger Westwind. Die Fährüberfahrt war ruhig, aber an Deck auch noch ziemlich frisch. Morgens früh kamen vor Göteburg die ersten Schären in Sicht, die Luft war klar, der Himmel blau und das Meer ruhig. Genau so hatte ich mir den Start in das Skandinavienabenteuer vorgestellt.



Nach zwei Stunden Autofahrt in Richtung der norwegischen Grenze erreichte ich den Campingplatz in der Såltvik. Der Name heißt übersetzt “Salzbucht”. Nach zwei Wochen wusste ich auch, wieso… Es war nicht viel los, ich hatte freie Platzwahl und konnte mir einen Stellplatz in der ersten Reihe mit direktem Blick aufs und Zugang zum Meer für mein Zelt auswählen. Unmittelbar am Campingplatz beginnt ein Wanderweg in das Naturreservat “Tjurpannan” (“Bullenpfanne”): eine offene Hochmoorlandschaft auf einem ca. 20-30 Meter hohen Felsriegel, der ins Skagerrak hineinragt und auf dem im Mai das Wollgras in voller Blüte steht. Nach Westen hin liegen vor Tjurpannan keine Schärengürtel, weswegen dieser Felsen bei hoher See die Brandung ungebremst abbekommt – an Starkwindtagen bis auf den Campingplatz deutlich zu hören. Die Såltvik selbst liegt gut abgeschirmt durch eben diesen Felsriegel im Schutz der Felsen und Schären, so dass man selbst bei unruhiger See in der Bucht problemlos paddeln und geschützt ablegen und anlanden kann. Einen viel besseren Ort für ein Base-Camp kann man sich nicht wünschen. Der Campingplatz hat einen gut ausgestatteten Laden, ein Restaurant, das in der Vorsaison nur Freitags und Samstags geöffnet hat, großzügige Sanitäranlagen und - typisch Schweden - eine kostenlose Sauna. 



Am nächsten Tag habe ich mich morgens mit Marcus von Skärgårdsidyllen getroffen. Wie es der Zufall (und der frühe Zeitpunkt in der Saison) wollte, war ich der einzige Teilnehmer für die Tour. Also haben wir nach einem kurzen Kennenlernen beschlossen, dass wir ein bisschen Spaß haben können und Passagen fahren, die man vielleicht nicht mit jeder Gruppe machen kann. Rockhopping im Skagerrag. Marcus arbeitet in der Nebensaison noch für ein örtliches Unternehmen, das Seetang kommerziell anbaut und für Lebensmittel verwendet. Dadurch hat er ein großes Wissen über die Tier- und Pflanzenwelt im Skagerrak aufgebaut – und zur Mittagspause auch gleich ausgesprochen leckeres Seetangknäckebrot mitgebracht. Ich habe sehr viel über die Gegend, über die schwedische Kajakszene und über die notwendigen Bedingungen für verschiedene Touren erfahren. Auch wenn der Tag nicht als der Tag mit den meisten gepaddelten Seemeilen ins Logbuch aufgenommen wurde, war er eine absolute Bereicherung des Paddelurlaubs. Nach einem Blick in die Wettervorhersage und den Tipps von Marcus war mir klar, dass ich mein Standquartier in Såltvik um einige Tage verlängern würde. Der überaus nette und hilfsbereite Platzmanager konnte sogar dafür sorgen, dass ich auf meiner Parzelle bleiben konnte und nicht umbauen musste.

Die nächsten Tage habe ich die Inselwelt südlich und westlich der Såltvik erkundet. Das Wetter war sonnig und angenehm warm. Das bedeutete allerdings auch, dass verlässlich ab mittags der Seewind einsetzte: war es morgens beim Start noch Windstill, so blies spätestens ab 13.00 Uhr ein stetiger Wind mit 4 Windstärken aus Südwest auf die Küste und brachte vom Skagerrak Wellen mit ungefähr einem Meter Wellenhöhe mit. 



Zwischen den Inseln war von den Wellen nicht viel zu spüren, da die Schärengürtel in mehreren Bändern als natürliche Wellenbrecher der Küste vorgelagert liegen. Nur vor Tjurpannan fehlen diese Wellenbrecher wie gesagt. Nachmittags bei der Rückkehr konnte ich daher erahnen, wieso diese Felsformation “Bullenpfanne” heißt und wieso in den Karten steht “nur bei gutem Wetter passierbar”. Von der Brandung möchte man hier nicht auf die Felsen geschleudert werden…

Eine Woche lang habe ich bei beständigem Seewind von Såltvik aus den Süden erkundet und die Inseln Pinnö, Musön und Otterön sowie ihre Fjorde, Sunde und Inselchen besucht. Da der Seewind erst mittags an Stärke zunahm, konnte ich morgens früh relativ weit raus zu den äußersten Schärenbändern paddeln und Morö, Bramskär und Måkholmen einen Besuch abstatten. Auf dem Weg begleiteten mich neben Möwen und Austernfischern auch Eiderentenfamilien, Nonnengänse mit Küken sowie von Zeit zu Zeit ein neugieriger Seehund. Östlich von Stora Måkholmen liegt die Tangfarm von Nordic Seafood, dem Tangknäcke-Produzenten, den Marcus bei der Ernte unterstützt.

Den Rückweg habe ich meistens auf der Innenseite zwischen den Inseln angetreten, um den reflektierten Wellen an der ungeschützten Westseite zu entgehen, wenn der Seewind voll eingesetzt hatte. 



Geeignete Pausenplätze gibt es in den Westschären entgegen meiner anfänglichen Befürchtungen mehr als genug. Fast jede Insel oder Schäre hat an irgendeiner Stelle eine geschützte Bucht und oftmals sogar einen kleinen Kiesel- oder Sandstrand.

Nach einer Woche änderte sich die Wetterlage: aus dem beständigen Seewind wurde ein beständiger Nordost-Wind. Da dieser zwar aus Lappland, aber von dort über Land kam, war er nachts sehr kühl (die Temperaturen fielen bis auf 2-3°C in der Nacht), tagsüber aber angenehm warm mit bis zu 20°C. Da der Wind jetzt über Land kam, baute er auf dem Skagerrag dicht an der Küste noch keine Welle auf, so dass die Passage an Tjurpannan vorbei nach Norden völlig unproblematisch wurde.



Also beschloss ich, weiterhin in Såltvik zu bleiben und von hier aus den Norden und den Koster-Nationalpark zu erkunden. Neben den Felswänden von Tjurpannan sind die enge Durchfahrt durch den Havstensund ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst. Diese enge Durchfahrt ermöglicht es Sportbooten und früher der Berufs-Segelschiffahrt, die gefährliche Passage auf der Außenseite der Schären zu vermeiden und geschützt durch den Schärengarten zu kommen. Allein die Tjurpannan-Passage bleibt der einrollenden Brandung ausgesetzt. Dass dieses Seegebiet nicht ganz ungefährlich ist, verdeutlichen die Namen von Leuchttürmen und Felsen: “Väcker” (“Wecker”), “Vakupp” (“wach auf”) und “Kisten” (“der Sarg”). Bei den Bedingungen, die ich vorgefunden habe, war es aber vor allem eins: ein unglaublich tolles Paddelrevier! 



Nördlich von Havstensund liegt mit den Inseln Resö, Store Snart und Bissen der Eingang zum Kosterhavet-Nationalpark. Dieser Meeresnationalpark umfasst etliche Inseln und Schären mit den Koster-Inseln als Herzstück. Er beheimatet im Kosterfjord, einer über 200 Meter tiefen Rinne die die Kosterinseln vom Festland trennt, Schwedens einziges Kaltwasserkorallenriff und mit diesem eine große Vielfalt an maritimen Lebewesen. Der äußere Schärengürtel besteht hier aus kleinen versprenkelten Inselchen und Schären, die im Winter ungeschützt der Urgewalt des Skagerrak ausgesetzt sind. Dementsprechend karg und abweisend sehen diese Schären auch aus. 



Östlich der Einfahrt zum Havstensund bietet der Stigfjord ein ganz anderes Bild: geschützt durch die Inseln und Halbinseln im Westen wechseln sich hier steile Felswände und liebliche Waldstücke ab. Bilderbuchschweden. Wenn ein Elch aus dem Wald schauen würde, man wäre nicht verwundert… Aus dem Stigfjord gibt es eine kleine und sehr flache Durchfahrt zum Havstensund, so dass man die Insel Havsten (“Meeresstein”), nach der der Sund benannt ist, umrunden kann. Dazu sollte man unbedingt auf den Wasserstand achten: bei niedrigem Wasserstand wird die Durchfahrt selbst mit einem Kajak zum Problem.



Am vorletzten Tag bot mir der Sund vor dem Havsten dann noch ein Bild, mit dem ich nicht unbedingt gerechnet hatte: Föhnwolken. Obwohl der Wind über kein nennenswertes Gebirge kam, war die hügelige schwedische Landschaft doch ausreichend, die Luft in Wellenschwingungen zu versetzen, so dass sich diese spektakulären Wolken bilden konnten, die man sonst eher aus den Alpen oder aus Norwegen kennt.

Den letzten Tag in diesem unglaublich tollen Paddelrevier habe ich dann nochmal für eine ausgedehnte Runde zu den südlichen Inseln und bis Fjallbacka genutzt. Mit dem sandigen Untergrund, den Stränden und der Vegetation konnte man fast vergessen, dass nur wenige Meilen weiter der rauhe, karge Felsgürtel der schwedischen Westschären liegt.

Am Ende habe ich mein Standquartier die ganze Zeit behalten. Trotzdem konnte ich unglaublich abwechslungsreiche ausgedehnte Paddeltouren unternehmen und habe eine äußerst abwechlungsreiche Landschaft mit sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen kennengelernt.

 

Ich kann sicher sagen: Bohuslän, ich komme wieder!


Rastplatz auf der Ostseite von Musön
Rastplatz auf der Ostseite von Musön

 In Grebbestad gibt es zwei Anbieter von Kajaktouren, bei denen man auch Ausrüstung erwerben kann:

www.skargardsidyllen.se

www.nautopp.com

 

Einen hervorragenden Kajakführer mit Informationen zu Anlande- und Übernachtungsplätzen gibt es auf Englisch auf der Homepage vom Tjörns Kajakklubb:

https://tjornkajak.se/bra-kunskap/paddla-kajak-och-talta-i-bohuslan-haftena/

 

Auf dem Campingplatz Såltvik kann der Stellplatz auch online gebucht werden:

https://saltvikscamping.se

 

Mein Boot war ein Norse Ask in der GFK Ausführung, meine Paddel zwei Aqua Bound Tetra mit Vollschaumkern. Bis auf zwei besonders sonnige und warme Tage bin ich jeden Tag im Trockenanzug gepaddelt, da das Wasser gerade mal 9°C hatte.